Altlasten Mülldeponien

Auch wenn Gras drüber wächst: die Mülldeponien bleiben!

Das Wohngebiet Buchhalde in der schwäbischen Gemeinde Dettingen nannten die Einheimischen früher den Krebshügel. Es habe dort mehr Krebskranke als woanders gegeben, erzählt man – auch wenn das zuständige Kreisgesundheitsamt in Reutlingen eine besondere Häufung weder für die Vergangenheit noch für heute bestätigen konnte (oder durfte?). Ist das der Preis der beiden Mülldeponien, zwischen denen das Wohngebiet entstand? Die Bauarbeiten für das Wohngebiet begannen in den 1960er-Jahren. Damals gab es auf der einen Seite des Wohngebiets eine noch betriebene Mülldeponie (bis 1985) und auf der anderen Seite eine aktive Müllkippe. (1)

Professor Martin Kranert von der Universität Stuttgart, Direktor am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft, erklärt: „Es sind häufig gar keine (überwachten) Mülldeponien gewesen, über die wir reden. Vor allem typische Bürgermeisterkippen - und wir reden da so circa über 80.000 in Deutschland, die wir haben, die in den 1950er, 60er- bis in die 1970er-Jahre betrieben worden sind.“

Früher war vieles schlechter: Mülldeponien & Bürgermeisterkippen

Einerseits wusste man es nicht, wie gefährlich mancher Abfall war, andererseits kamen die Verantwortlichen der Unternehmen auch nicht auf die Idee, sich Gedanken zu machen, ob ihr Abfall irgendwann mal Probleme verursachen könnte.

Daher gibt es Mülldeponien, die bis heute bedeutsame Auswirkungen für die Umwelt haben. Nachforschungen sind schwierig bis zwecklos, denn früher wurde nichts aufgezeichnet. Niemand weiß genau, was wann wo abgelagert wurde.

Stichwort Bürgermeisterkippen:

Damit sind „wilde“ Müllkippen gemeint, die einst von der Gemeinde geduldet waren und wenn man sie nicht mehr brauchte, meist auf Anordnung des Bürgermeisters, zugeschüttet wurden. Bis 1972, als das Gesetz über die Beseitigung von Abfällen in Kraft trat, konnte Müll jeglicher Art einfach in die Landschaft gekippt werden.

Heute: Blinde Kuh spielen funktioniert immer

Die Deponie in Dettingen ist bis heute ein Problem. Dort liegen rund 850.000 Kubikmeter Haus- und Industriemüll. Früher wurde weder sortiert, kontrolliert, noch gab es eine gesonderte Annahme von Sondermüll. Weshalb Haus- und Industriemüll auf dem gleichen Platz landeten. Die aus dem Berg sickernde Flüssigkeit überwachen Fachleute vom Zweckverband Abfallverwertung und leiten sie in die Kanalisation.

Damit hört die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen aber auch schon auf. Das Regierungspräsidium Tübingen hat keine Lust, das heiße Eisen anzufassen und das Landratsamt Reutlingen redet sich heraus, dass es keine hilfreichen Unterlagen mehr hat. Da Dettingen kein Einzelfall ist, könnte man sicher Experten finden, die Erfahrung mit Abfällen von vor 50 Jahren haben. Es geht u.a. um die Frage, worauf das Sickerwasser untersucht werden soll. Aber zu wissen, welche gefährlichen Stoffe enthalten sind, könnte ja Folgen haben …

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Ammonium hat man vor Jahren schon einmal in Konzentrationen über dem Grenzwert gefunden. Mehr hat man vorsichtshalber nicht untersucht.

Beim Thema Verantwortung fragt man sich auch, wie die Gemeinde das Wohngebiet direkt neben der Mülldeponie und der Müllkippe einrichten konnte. Auf welchem Berg sie leben erfahren heutige Bewohner der Buchhalde nicht aus offiziellem Mund, sondern, wenn überhaupt, per Zufall. (1)

Mülldeponien – lebende Berge?

Stefan Haderlein, Professor für Umweltmineralogie und Umweltchemie an der Universität Tübingen, weist auf ein Risiko hin, welches eine Zeitqualität hat: „Gemischte Mülldeponien haben ein Innenleben. Es kann sein - und das ist nicht selten - dass Stoffe, die in der Deponie vorhanden sind, ... miteinander reagieren und neue Stoffe überhaupt erst entstehen.“ Vielleicht sind sie unkritisch, vielleicht aber auch noch gefährlicher als die Ausgangsstoffe.

Das ist kein Film, das ist harte Realität – der Silbersee

Auch im Osten Deutschlands gibt es natürlich diverse Altlasten. Das Verhalten war das gleiche: unerwünschter Abfall wurde in Flüsse, Seen und Gruben gekippt. Zum Beispiel der sogenannte Silbersee in Sachsen-Anhalt. Eine Bohrschlammdeponie, entstanden während der 40 Jahre der Erdgasförderung und als eines der Endlager für das Chemiekombinat Bitterfeld sowie die ORWO-Filmfabrik. (2)

Nach Angaben der Landesregierung Sachsen-Anhalt befinden sich auf dem Grund des Silbersees 250 Tonnen Quecksilber, 9.000 Tonnen Säuren, 1.400 Kilogramm arsenhaltige Stoffe. In den 1970er- und 1980er-Jahren fanden auch bergbaufremde Abfälle ihren Weg in die Grube, wie Pflanzenschutzmittel, Teerreste und Galvanikschlämme. Damit ist diese Deponie eine der gefährlichsten Mülldeponien Deutschlands. Eine akute Gefahr für das Grundwasser.

Wasseranalysen haben ergeben, dass die Werte für Chlorid sowie der radioaktiven Stoffe Radium 226 und Radium 228 deutlich erhöht sind. (3)

Die Verantwortung trifft nicht nur die Betreiber während der DDR-Zeit. Die Deponie wurde bis zum Jahr 2012 weitergeführt. Der heutige Betreiber spielt auf Zeit. 2018 räumte das Landesamt für Geologie und Bergwesen in Halle/Saale ein, dass die Grube undicht ist. Man sehe aber „keine erheblichen Gefährdungen des Grundwassers“. Auch hier sieht es so aus, dass man allein von der Hoffnung lebt, es möge nichts passieren. Bei Führungen auf dem Betriebsgelände bekommen die Besucher Schutzanzüge verpasst. Wer erkennt den Widerspruch?

Bohrschlammdeponien – lästig, dass immer etwas übrig bleibt

Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover geht von mindestens 500 Schlammgruben alleine im Bundesland Niedersachsen aus, was damit klarer Spitzenreiter in Deutschland ist. Die Erdöl- und Erdgasindustrie hat in Niedersachsen seit den 1850er Jahren etwa 9000 Bohrungen vorgenommen. Zum Glück gibt es nicht neben jeder Bohrung eine Schlammgrube. Eine Regulation gibt es erst seit den 1960er Jahren als man zentrale Bohrschlammgruben anlegte. (8)

Wo ist das Problem? Bohrschlamm gilt in der Regel als Sondermüll und muss speziell entsorgt werden. Im Bohrschlamm stecken einige krebserregende Kohlenwasserstoffe und teilweise auch gesundheitsgefährdende Stoffe wie Quecksilber, Arsen und Radium 226. Obwohl entsprechende Flächen von einer Nutzung ausgeschlossen sind, gibt es heute über alten, inzwischen zugeschütteten Bohrschlammgruben teilweise Landwirtschaft. Der ehemalige niedersächsische Umweltminister Wenzel meinte: „Es ist natürlich eigentlich selbstverständlich, dass auf Bohrschlammgruben kein Ackerbau oder Viehwirtschaft betrieben werden sollte.“ Andere alten Mülldeponien finden sich unter Naherholungsgebieten, in Wasserschutz- und Trinkwassereinzugsgebieten. Dass eine Gefährdung für das Trinkwasser besteht, konnte das Umweltministerium Schleswig-Holstein im Jahr 2016 nicht ausschließen. Die Prüfung war angekündigt ... (9)(10)(11)

Wie wird man den Problem-Müll los?

Darüber hinaus gab / gibt es noch einige wirtschaftlich interessante Methoden, problematische Abfälle loszuwerden.

1. Die Firma Woolrec verarbeitete Dämmstoff aus Mineralfasern, der als Sondermüll gilt. Sie zerkleinerte diesen, machte ein Granulat daraus und bot es als Zusatz für die Bauziegelherstellung an. Soweit war es genehmigt. Später kam heraus, dass das Granulat auch noch Schwermetalle enthielt und die Gutachten über das Granulat fraglich waren, was zur umgehenden Schließung der Firma führte. (4)

2. Zwischen Ost- und Westdeutschland existierte zu DDR-Zeiten ein Mülltourismus. Was die Westberliner loswerden wollten, nahm Ostberlin für harte Devisen entgegen. PCB-Belastung und Fische-Sterben inklusive.

3. Größere Mülldeponien sind auch Geschäftsbetriebe. Das hat nichts mehr mit dem städtischen Entsorgungsbetrieb oder der regionalen Sammelstelle zu tun. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Deponie Ihlenberg. Bis zum Jahr 2020 wurden täglich 4000 Tonnen Sondermüll aus ganz Europa zur Entsorgung auf diese Deponie gebracht. Nur 500 Meter entfernt liegt die nächste Ortschaft Selmsdorf. 2018 gab es Aufsehen, weil ein Gutachten auf mehrmalige Grenzwertüberschreitungen bei Cadmium und Zink hinwies. Das wurde durch ein Gegengutachten widerlegt. Entwarnung?

Es gibt noch zwei andere Aspekte: Im behandelten Sickerwasser, das die Deponie verlässt, wurde radioaktives Tritium nachgewiesen. Im Jahr 2008 untersuchten Wissenschaftler Mitarbeiter der Deponie und stellten ein „moderat erhöhtes Krebsrisiko“ fest. Etwas, was einer Fachärztin auch in den 1980er-Jahren, schon 10 Jahre nach Einrichtung der Deponie, aufgefallen war. (5)(6)(7)

4. So wie in Deutschland immer noch giftige und in der EU schon verbotene Pestizide für das Ausland produziert werden, wird auch kritischer Abfall in andere Länder gebracht, um ihn loszuwerden. (12)

Fazit

Die Standorte der alten ungesicherten Mülldeponien sind über ganz Deutschland verteilt. Unklar ist, ob oder wann diese ihre giftigen Zutaten im Grundwasser verteilen. Eine Küchenfilteranlage, die in der Lage ist, wirklich alle Schadstoffe zu entfernen, ist heutzutage kein Luxusgut mehr, sondern die Grundlage für sauberstes Trinkwasser. Sichern Sie sich jetzt Ihren unverbindlichen Beratungstermin zum Thema Trinkwasserfilter:

Mehr zum Thema Altlasten mit den entsprechenden weiterführenden Links finden Sie unter https://erich-meidert.de/category/altlasten/

Eine besondere Form von Altlasten sind die Kriegsaltlasten. Speziell geht es um vergrabene und versenkte Chemiewaffen der beiden Weltkriege, die langsam vor sich hinrosten. Lesen Sie dazu unseren Blogbeitrag unter https://misterwater.eu/altlasten-chemiewaffen/

Quellen:

1) Die Last mit den stillgelegten Mülldeponien - https://www.deutschlandfunk.de/altlasten-die-last-mit-den-stillgelegten-muelldeponien-100.html

2) Wo der Giftmüll seine Spuren zieht - https://www.deutschlandfunk.de/bundesweites-rechercheprojekt-wo-der-giftmuell-seine-spuren-100.html

3) Kein Schatz im Silbersee - https://www.deutschlandfunkkultur.de/giftmuell-in-sachsen-anhalt-kein-schatz-im-silbersee-100.html

4) Giftmüll in mehreren Millionen Ziegeln - https://www.deutschlandfunk.de/der-woolrec-skandal-giftmuell-in-mehreren-millionen-ziegeln-100.html

5) Giftmüll vor der Haustür - https://www.deutschlandfunkkultur.de/deponie-ihlenberg-giftmuell-vor-der-haustuer-100.html

6) Ihlenberg: Die Angst geht um am Giftmüllberg - https://www.ostsee-zeitung.de/mecklenburg-vorpommern/ihlenberg-die-angst-geht-um-am-giftmuellberg-RHUJQLNRPBB5OJHRBWJOQ4Q6ZI.html

7) BI Stoppt die Deponie Schönberg, Blog - https://www.stoppt-deponie-schoenberg.de/blog/

8) Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie · Hannover - Bohr- und Ölschlammgruben - https://lbeg.info/faq?pgId=23&WilmaLogonActionBehavior=Default

9) "Markt" deckt auf: Landwirtschaft auf giftigen Bohrschlammgruben - https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Markt-deckt-auf-Landwirtschaft-auf-giftigen-Bohrschlammgruben,pressemeldungndr17436.html

10) Dutzende Bohrschlammgruben auch in Schleswig-Holstein - https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Dutzende-Bohrschlammgruben-auch-in-Schleswig-Holstein,pressemeldungndr17322.html

11) Umweltskandal in Niedersachsen: giftiger Bohrschlamm gefunden - https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Umweltskandal-in-Niedersachsen-giftiger-Bohrschlamm-gefunden,pressemeldungndr14952.html

12) Giftmüll vom Exportweltmeister - https://www.deutschlandfunk.de/uno-kritisiert-deutschland-giftmuell-vom-exportweltmeister-100.html

Beitragsbilder:

© Johann Haas - Shutterstock 1995254147

© Canva – Safe our planet – halfpoint

© Canva – Bauschutt – pedrosala Getty Images

© Canva – mit Schutzanzug auf die Müllhalde – Helgy


Tags

Altlasten, Grundwasser, Mülldeponien, Umwelt


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